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5. Krünitz' Enzyklopädie

Nachdem im vorangegangenen Kapitel Adelungs Wörterbuchpraxis dargestellt wurde, soll nun die "Oeconomische Encyclopädie" besprochen werden. Aufgrund ihres geringen Bekanntheitsgrades gehe ich auch kurz auf die Publikationsgeschichte ein.
Zur Ostermesse 1773 erfolgt die Publikation des ersten Bandes der "Oeconomischen Encyclopädie, oder allgemeines System der Land= Haus= und Staats= Wirthschaft, in alphabetischer Ordnung; Aus dem Französischen übersetzt und mit Anmerkungen und Zusätzen vermehrt, auch nöthigen Kupfern versehen von D. Johann Georg Krünitz", verlegt bei Joachim Pauli in Berlin. Ursprünglich sollten pro Jahr "zwey Bände von zwey Aphabeten, in Median=Octav" 1 erscheinen, in der Praxis hat Pauli jedoch drei Bände pro Jahr veröffentlichen können. Die Stärke der einzelnen Bände differiert grob zwischen 600 (z.B. 25. Band 627 Seiten) und 1000 Seiten (z.B. 24.Band 971 Seiten). Das Bildnis eines berühmten Zeitgenossen, der sich in der Ökonomie und der Kameralistik hervorgetan hat 2, ist einem jeden Band als Schmuck beigegeben; darunter befindet sich auch das Porträt von Johann Georg Krünitz im 13.Band. In der Vorrede zur zweiten Auflage erweitert Krünitz den Kreis der in Frage kommenden Persönlichkeiten um die

"Großen des Staats, denen die ökonomischen und die damit verwandten Wissenschaften und Künste, Auf

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nahme und Schutz verdanken." 3

Krünitz' Vorlage zu bestimmen, fällt aufgrund der voneinander abweichenden bibliographischen Angaben schwer. Krünitz selbst tituliert seine Vorlage als "Encyclopèdie Oeconomique, ou Système gènèral de l'Oeconomie rustique, domestique & politique" 4, die in Yverdon 1770 erschienen sein soll 5. Ein Werk, das diesen Titel trägt, ist nicht nachweisbar. 6 Im Gegensatz zu Krünitz' eigener Angabe ist das Königlich Preussische Privilegium in Übereinstimmung mit dem Churfürstlich Sächsischen Privilegium ausgestellt für

"1) eine deutsche Uebersetzung von dem Dictionaire d'Histoire naturelle des Herrn Valmont de Bomare, in 12 Bänden, 2) eine deutsche Uebersetzung von dem Dictionaire Encyclopedie Oeconomique, in 16 Bänden". 7

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Während sich das unter 1) genannte Nachschlagewerk bibliographisch erfassen ließ 8, steht der Nachweis des unter 2) genannten ebenfalls aus. Die im Titel, erwähnten Anmerkungen und Zusätze führen zu inhaltlichen Überschneidungen, die sich für den Benutzer nachteilig auswirken. Aus diesem Grund verläßt Krünitz im dritten Band mit dem Buchstaben B das französischsprachige Original und betrachtet das Werk nun als seine eigene Arbeit, welche

"von seiner Urschrift, die sich darinn gänzlich zu verlieren scheint, nur noch den Nahmen behalten hat." 9

Aber auch der "Nahme" ist Änderungen unterworfen. 1784, im 33. Band, erfolgt die Umbenennung in "Oekonomischtechnologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Stats= Stadt= Haus= und Land= Wirthschaft, und der Kunst=Geschichte, in alphabetischer Ordnung"; im 12.Band 1777 ist bereits die Stadtwirtschaft in die Aufzählung aufgenommen worden.
Krünitz konnte sein Opus nicht selbst vollenden "Bei dem Artikel 'Leiche' wurde er selbst zur Leiche." 10. Die Nachfolge tritt Friedrich Jakob Floerke im 73.Band 1798 an, dessen Bruder Heinrich Gustav Floerke die Bearbeitung und Herausgabe 1800 im 78.Band übernimmt. Band 124 "Rindviehzucht" ist der erste von gut einhundert Bänden, an denen Johann Wilhelm Korth beteiligt gewesen ist; bis Band 188 arbeitet er allein, danach

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wechselweise mit Ludwig Kossarski und Carl Otto Hoffmann, welcher auch die Bände 226-242 verfaßt und somit die Enzyklopädie zum Abschluß gebracht hat. Auf die verschiedenen unautorisierten Nachdrucke im 18. Jahrhundert - Krünitz selbst veranlaßt eine zweite Auflage bei Pauli 11 - und die damit verbundenen Streitigkeiten möchte ich hier nicht eingehen. 12 Hingewiesen sei auf einen Auszug, der von 1786 bis 1812 ebenfalls bei Pauli in 32 Bänden erschienen ist und der von M.C. Schütz, später von Gottfried Ludolf Graßmann 13 und schließlich von Heinrich Gustav Floerke bearbeitet und herausgegeben wird. Darüber hinaus sind einzelne Artikel gesondert publiziert worden, und zwar entweder von Krünitz selbst, z.B. "Das Wesentlche der Bienengeschichte und Bienenzucht" 1774, "Gesundheit-Trinken" 1778 sowie "Jungfrau, Jungfrauschaft" 1789, oder von andern bearbeitet, so z. B. "Der Gartenfreund [...] ausgefertigt und mit Zusätzen herausgegeben von G.F. Ideler", Berlin 1795.
Bevor ich auf die vorliegende Enzyklopädie näher eingehe, möchte ich ihren Initiator vorstellen.

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5.1. Biographie Johann Georg Krünitz 14

Am 28.März 1728 als Sohn eines Kaufmanns geboren, hatte Johann Georg Krünitz die Möglichkeit, neun Jahre das Gymnasium zum grauen Kloster zu besuchen und sich daran anschließend drei Jahre auf das medizinische Studium vorzubereiten. Dieses nahm er an der Universität Göttingen auf, führte es in Halle fort und errang seine medizinische Doktorwürde 1749 in Frankfurt an der Oder, wo er in den folgenden Jahren eine Arztpraxis unterhielt. Dort las er u.a. ein Kollegium über die Osteologie und übersetzte verschiedene französische und englische wissenschaftiche Publikationen, darunter auch das "Commercium philosophico-technicum, or the philosophical commerce of arts" von Wilheln Lewis. 15 Um sich auf seine literarischen Arbeiten konzentrieren zu können, kehrte Krünitz 1759 nach Berlin zurück. Wahrscheinlich begann er zu Beginn der 70er Jahre mit der übersetzung der "Oeconomischen Encyclopädie". Viele Rezensenten rühmten den Fleiß und die Gelehrsamkeit von Krünitz, der 14 Stunden arbeitete, obwohl ihn verschiedene Krankheiten plagten. Diese schilderte er selbst anonym

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in dem "Neuen Magazin für Aerzte" 16 Die Briefe erlauben einen kleinen Einblick in Krünitz' Privatleben:

"Was ich für Medikamente gebraucht, nicht sowohl aus eigener Ueberzeugung der Möglichkeit einer Kur, sondern nur, um meiner Frau zu gefallen, deren Tod mich nun seit 2 Jahren zum Wittwer gemacht hat, ist unbeschreiblich." 17

Johann Georg Krünitz war nicht nur verheiratet, sondern hatte auch zwei Kinder, eine Tochter 18 und einen Sohn. 19
Die Arbeiten an der Enzyklopädie erledigte er allein, ohne Schreiber oder Korrektor. Die gesellschaftliche Anerkennung, die Krünitz erhielt, zeigt sich deutlich, wenn ein Blick auf die Gesellschaften, in denen er Mitglied war, geworfen wird. 20 Am 20. Dezember 1796 verstarb Johann Georg Krünitz, nachdem er sich im Hinblick auf seine Arbeit über das

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Leichenhaus auf dem Kirchhof der Petrikirche in Berlin informiert hatte. 21

 

5.2 Der programmatische Titel

Nachdem ich den Initiator, Herausgeber und Verfasser vorgestellt habe, wende ich mich nun dem programmatischen Titel des Werkes zu: "Oeconomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Land= Haus= und Staats= Wirthschaft". Die Doppelstruktur erlaubt, die Veröffentlichung in die Klasse der Nachschlagewerke, genauer in die der alphabetischen Enzyklopädien mit fachlich begrenztem Sachgebiet einzuordnen. Der Anspruch, eine systematische Ordnung zu präsentieren, klingt im zweiten Teil des Titels ("allgemeines System") an. Das Werk steht somit u.a. in der Tradition von "Zedlers Universal=Lexikon", vor allem auch im Hinblick darauf, daß die Systematik weder in einer Vorrede noch in den Wörterbuchartikeln selbst zur Sprache kommt.
Darüber hinaus erläutert der Titel das Adjektiv ökonomisch Entlehnt aus dem griechisch-lateinischen 'oeconomia' wird Ökonomie und entsprechend ökonomisch im 16.Jahrhundert "in der Bed. der allgemeinen, geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse des Staates wie des Ein-

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zelnen" 22 gebraucht. In "Zedlers Universal= Lexikon" ist 'Oeconomie' folgendermaßen deskribiert:

"Haushaltung=Wissenschaft, Haushaltungs=Kunst [...] ist ein Theil der practischen Philosophie, der da lehret, wie man sein ehrliches Auskommen erwerben und das Erworbene erhalten solle, damit man den Mangel und Armuth begegnen, auch sich und die Seinigen ehrlich davon bringen möge. [...] Die Oeconomie wird eingetheilt in die Staats=Oeconomie (Oeconomiam publicam) und die Privat= Oeconomie (Oeconomiam privatam)." 23

Die "Staats=Oeconomie" umfaßt die "Cameral=Wissenschaft" 24, die "Privat=Oeconomie" die "Oeconomie eines einzelnen Hauß=Vaters" 25 Adelung schließt sich im wesentlichen der Deskription in "Zedlers Universal=Lexikon" an, ergänzt sie jedoch.

"Da die weisliche und verhältnißmäßige Einrichtung der Ausgaben und Einnahmen eines der vornehmsten Stücke dieser Kunst ist, so wird oft auch figürlich die ganze Einrichtung der Endzwecke und Mittel die ökonomie genannt. [...] In noch engerer Bedeutung, die Landwirthschaft." 26

Daß für Krünitz die Ökonomie nicht nur die Landwirtschaft umfaßt, sondern darüberhinaus die Stadt- und Hauswirtschaft, ist dem zweiten Teil des Titels zu entnehmen. Die Ökonomie hat sich aus Krünitz' Sicht erst

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vor kurzem zu einer Wissenschaft entwickelt, deren Einzeldisziplinen folgendermaßen aufeinander aufbauen.

"In sofern diese [die ökonomische Wissenschaft] auf die Bearbeitung der Erde [...] gerichtet ist: so nennet man diese Kunst, die der Erde unter dieser Bedingung ertheilte Fruchtbarkeit durch Bearbeitung derselben zu befördern, die Land= Wirthschaft. [...] diese Kunst nun, die größte Mannigfaltigkeit verschiedener Arten des Genusses mit den wenigsten Kosten zu verbinden, heißt die Haus=Wirthschaft. Wendet man endlich die oeconomische Wissenschaft auf die Angelegenheiten und Bedürfnisse der großen bürgerlichen, politischen und Völkerschaften=Gesellschaft an: so nennet man diese wichtige und nothwendige Wissenschaft [...] die Staats=Wirthschaft." 27

Wenn Krünitz im 12. Band die Stadtwirtschaft als viertes Glied in die ökonomische Wissenschaft aufnimmt, so zeigt sich hierin das Wissen um die enge Verknüpfung von Stadt- und Landwirtschaft. Mit der Einfügung des Adjektivs technologisch bzw. des Begriffs 'Kunstgeschichte' paßt Krünitz ebenfalls den Titel an seine reale lexikographische Praxis an. Technologisch, seit dem 16. Jahrhundert nachgewiesen, trägt im 18.Jahrhundert die Bedeutung 'fachlich, fachsprachlich', 'den Fachwortschatz betreffend' oder auch 'eine Kunstlehre betreffend' 28. Johann Beckmann, seit 1770 Professor der Ökonomie in Göttingen, prägt 1772

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eine neue Bedeutung für Technologie und analog zu technologisch:

Ich habe es gewagt, Technologie, stat der seit einiger Zeit üblichen Benennung Kunstgeschichte, zu gebrauchen, die wenigstens eben so unrichtig, als die Benennung Naturgeschichte für Naturkunde ist. Kunstgeschichte mag die Erzählung von der Erfindung, dem Fortgange und den übrigen Schicksalen einer Kunstoder eines Handwerks heissen; aber viel mehr ist Technologie, welche alle Arbeiten, ihre Folgen und ihre Gründe vollständig, ordentlich und deutlich erkläret." 29

Die Ausführungen Beckmanns bedürfen keiner weiteren Erläuterung. Es ist davon auszugehen, daß Krünitz Beckmann folgt, zumal jener den "Enzyklopädisten" bereits 1774 für die Aufnahme technologischen Wortschatzes 30 lobt und zu der Umgestaltung des Titels bemerkt:

"Was hier hinzugesetzt ist, ist allerdings von den letzten Theilen ganz wahr; denn die technologischen Artikel sind sehr zahlreich und ausführlich und haben auch viele Zeichnungen." 31

Bevor ich mich in Kapitel 5.4 mit der Stichwortauswahl und in Kapitel 5.5 mit der lexikographischen Praxis beschäftige, umreiße ich in aller Kürze die Anlage der Enzyklopädie, nicht nur konzeptionell, sondern auch im Hinblick auf die Vorlage, ihre Zielgruppe sowie allgemein auf ihre Wirkung auf die Zeitgenossen.

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5.3. Allgemeine Bemerkungen zu der "Oeconomischen Encyclopädie"

Johann Georg Krünitz vertritt die Ansicht, daß es keiner der erschienenen deutschen Schriften zur Ökonomie und zur Kameralistik gelungen sei, den inneren Zusammenhang der genannten Disziplinen aufzuzeigen und ihn den Land- und Hauswirten praxisnah zu vermitteln. 32 Wenngleich er diesen Mangel in der "Encyclopèdie oeco-nomique" behoben sieht, kritisiert er, daß die Schweizer Gelehrten die deutschen Schriften nicht berücksichtigt und ihre literarischen Quellen nicht angegeben haben. 33 Krünitz bereichert deshalb das Original um Anmerkungen, Zusätze, literarische Nachweise und Kupfertafeln (hierzu siehe unten). Nicht nur die Landleute 34 , um derentwillen er sich um "vollkommene Richtigkeit mit Deutlichkeit" 35 bemüht habe, profitieren von Krünitz' Überarbeitung. Johann Beckmann empfiehlt dieses Werk in einer Rezension zum ersten Band "nicht nur den Oekonomen von Profession, nicht nur dem Naturkundigen, [...] sondern einem jeden Liebhaber der Oeconomie und aller verwandten Wissenschaften". 36 Summa summarum erfreut sich die Enzyklopädie großer Beliebtheit, worauf verschiedene Rezensenten regelmäßig

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hinweisen. 37 Der besondere Wert ergibt sich aus den Zusätzen und den Literaturangaben, derentwegen die vorliegende Enzyklopädie verschiedentlich als eine "Bibliothek" 38 bzw. eine "vollständige Land=Haus= und Staatswirthschaftbibliothek" 39 bezeichnet wird. So verwundert es auch nicht, daß der Benutzerkreis permanent angewachsen ist und daß laut der Beobachtung des Rezensenten der "Allgemeinen Deutschen Bibliothek" die Enzyklopädie auf dem Lande vor allem "unter Edelleuten, Predigern und Beamten" 40 verbreitet gewesen ist.
Schließlich erteilt das Königlich Preussische Generaldirectorium den Magistraten den Befehl, die Enzyklopädie auf Kosten der Kammerei anzuschaffen; desgleichen veranlaßt das Königliche Oberconsistorium bezüglich der Anschaffung aus Kirchenmitteln für die Prediger. 41 In der Ankündigung seiner Enzyklopädie konkretisiert Krünitz auch, was sich s.E. hinter der "oeconomischen Wissenschaft" im Einzelnen verbirgt. Die Palette reicht von der "großen Kunst des Ackerbaues" bis zur "Art der Verfertigung [...] des Zuckerbranntweines" 42. Das Zitat bildet nur einen kleinen Ausschnitt.

"Man findet solchergestalt in der Encyclopedie oeconomique die mannigfaltigsten und wichtigsten Abhandlungen, und die wesentlichsten Anweisungen

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über die Erdarten, das Gewässer, die Gewächse, die Thiere, und deren Gebrauch, zur Vermehrung unserer Reichthümer, zur Verminderung unserer Ausgaben, zur Versüßung unserer Arbeiten, und zur Einärndung aller nur möglichen Vortheile von unserm Eigenthume und Fleiße. Es werden folglich die Producte der Natur von ihrem Ursprünge an, bis zu ihrem allerletzten Gebrauche, von dem ersten Augenblicke ihres Daseyns an, bis zu dem Zeit=Puncte, da sich der Mensch derselben, zur Befriedigung seines Beliebens und seiner Bedürfnisse bedienet, verfolget." 43

In diesem Zusammenhang benennt er auch seine Vorbilder in der Staatswirtschaft:

"Was die Staats=Wirthschaft betrifft, so haben Männer von vorzüglichen Talenten, welche über diese Wissenschaft ein neues Licht verbreitet haben, ein Quesnay, von Mirabeau, de la Rivière und einige andere von gleichem Eifer für das Wohl des menschlichen Geschlechtes belebte Gelehrte, zu dieser Arbeit beygetragen; und ihren Grundsätzen ist man in denen Artikeln, wo von der Beziehung der Staatskunst auf den Ackerbau gehandelt wird, gefolget." 44

Die Genannten gehören zu den bekannten Vertretern der physiokratischen Schule, die der Landwirtschaft die zentrale Rolle im Wirtschaftsprozeß zugewiesen haben; jene sei die einzig produktive Kraft. Nach

"ihrer Lehre verarbeitet das Gewerbe auch nur die Rohstoffe, die die Landwirtschaft liefert, und der Gewerbetreibende kann seine Arbeiten nur bezahlen, wenn der Landwirt ihm die.Waren mit den Erträgnissen des Bodens abnimmt." 45

Wenngleich Krünitz von den Physiokraten nicht dessen Hierarchisierung der einzelnen Wirtschaftsfaktoren

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übernimmt, so fällt dennoch auf, daß die Artikel zu landwirtschaftlichen Belangen zu den längsten der ersten Bände zählen. 46 Es führte zu weit, an dieser Stelle anhand zahlreicher Artikel Krünitz politisch und wirtschaftstheoretisch einzuordnen. Krünitz' "Anmerkungen und Zusätze" betreffen

"theils ganze, in der Urschrift völlig übergangene Artikel, theils Erläuterungen der im Original selbst vorkommenen Artikel, aus, und unterscheiden sich durch das jedesmahl vorgesetzte Sternchen. Indessen mus ich auch bekennen, daß mir die Freyheit genommen habe, hin und wieder im Texte einige.Stellen auszulassen, oder zu verändern." 47

Das von Krünitz erwähnte Sternchen makiert sowohl die Ergänzungen innerhalb eines Artikels, als auch die hinzugefügten Stichwörter, z.B.:

"Ausschälen,Ausschälen, Ausscheiteln, Ausschießen, Ausschlags= Verkauf, Ausschneiden, Ausschnitt, Ausschößlinge, Ausschuß, Aussenwände, Aussertief." 48

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5.4. Anmerkungen zur Stichwortauswahl

Wie bereits erwähnt, verläßt Krünitz im dritten Band seine Vorlage. In der Vorrede zum vierten Band (Baum-Biene) versucht Krünitz, die Sorge, sein Werk wachse ins Unermeßliche und sei nicht abschließbar, zu zerstreuen, indem er u.a. darauf hinweist, daß die ersten drei (!) Buchstaben des Alphabets die reichhaltigsten seien. 49 Diese Einschätzung aus dem Jahre 1774 relativiert die folgende Tabelle, in der den einzelnen Buchstaben die Bandzahl gegenübergestellt ist. Die unterschiedliche Banddicke kann vernachlässigt werden.

A B C D E F G H I / J K L50
2,5 4 1 1,5 2 3,5 4 7,5 4 26 11

Bis zum Buchstaben H, so Beckmann 51, bewegt sich die Ausarbeitung in einem akzeptablen, üblichen Rahmen. Die Entwicklung der permanenten Ausuferung kulminiert Krünitz selbst in den Buchstaben K und L. 52 Zwei Ursachen sind hier zu nennen:

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1. Krünitz verbucht Stichwörter, die, so die Kritik, "bloß grammatischen, geographischen, historischen, physischen Inhalts" 53 sind. Geographische Artikel treten in der Tat erstmals in den Buchstaben I und J auf: 54 Jamaika, Ireland, Italien, Kamtschatka, Landshut. 2. Die Ausführungen werden zunehmend spezieller, wovon einerseits insbesondere der Artikel "Landpfarrer, Landrath" 55 und andererseits der Raum, den Krünitz' Ausführungen zum Kriegswesen (Band 49 Kreu bis Kriegs=Bann bis Band 53 Kriegs=Wirthschaft bis Krön) einnimmt, zeugt. Nicht nur die Expansion der Artikel, auch die Aufnahme von Stichwörtern, die auf dem ersten Blick nicht dem ökonomischen Wortschatz zuzuordnen sind, wie z.B. Freydenkerey und Glück, sind der Kritik der Zeitgenossen unterworfen. Krünitz rechtfertigt sich folgendermaßen:

"Hätten sie, dieselben zu lesen, sich die Mühe genommen, so würden sie gefunden haben, daß dasjenige, was ich davon sage, allerdings hieher gehöre, und am rechten Ort gesagt sey." 56

Anhand des Artikels ‚Glück’ sollen die beiden Positionen überprüft werden, auf Eigenheiten der Artikelstruktur gehe ich hier noch nicht ein.

"Glück,(*) L. Fortuna, Fr. Fortune. 1.Derjenige Umstand, da uns unser Vorhaben gelinget, d.i. da solches durch eine Verknüpfung von Umständen, die nicht unmittelbar in unserer Gewalt sind, unserm Verlangen gemäß erfolget. Einem zu seinem

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Vorhaben, zu einer Reise Glück wünschen, wünschen, daß ihm sein Vorhaben, seine Reise gelingen möge. Glück auf den Weg. Glück auf! ein gewöhnlicher Wunsch der Jäger und Bergleute an einander. Mit dem Gruße: Glück auf! pflegen die Bergleute so wohl in als außer der Arbeit einander zu grüßen; und sie würden es gar übel aufnehmen, wenn jemand sagen wollte: Glück zu! indem die Klüfte und Gänge sich auf und nicht zuthun müssen. Bey ihren Zusammenkünften gehört man gemeiniglich folgende Grußformel: Glück auf! alle mit einander Bergmeister, Geschworne, Schlägelgesellen, wie ihr hier versammlet seyd; mit Gunst bin ich aufgestanden, mit Gunst setze ich mich wieder nieder; grüßete ich das Gelag nicht, so wäre ich kein ehrlicher Bergmann nicht!" 57

Wenngleich der Artikel stark gekürzt ist, zeigt das Beispiel doch deutlich, daß Krünitz allgemeinsprachliche Bedeutungsschattierungen berücksichtigt, jedoch das Fachsprachliche insgesamt bei weitem überwiegt. Ebenfalls die Stichwortauswahl betrifft die Kritik eines Rezensenten der Allgemeinen Deutschen Bibliothek, der die Artikel aufführt, die er in den Bänden 28-41 vermißt. Dazu gehören im 32. Band (Ka-Kal): "Kaaigeld, Kaaimeister, Kabalist, Kabat, Kabesar, Kabasserseide, Kabestanspiel, Kabinetslaterne" und weitere 26 Wörter, die insgesamt gesehen "mehrentheils ächte technologische Wörter sind." 58 Kritiken auf der mikrostrukturellen Ebene sind spärlich; eine Ausnahme bildet wiederum der des öfteren erwähnte Rezensent der Allgemeinen Deutschen Bibliothek, der partiell auch die semantische Deskription anzweifelt. 59 Darauf komme ich noch einmal zurück.

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5.5. Die lexikographische Praxis

In der Vorgehensweise ist Krünitz seiner Yverdoner Vorlage verpflichtet; so bemerkt er in der Ankündigung von 1772, daß die Gelehrten jener Enzyklopädie das Material aus der erschienenen Literatur zusammengetragen haben, d.h. sie haben sich auf Exzerption und Rezeption beschränkt. Desgleichen findet sich bei Krünitz wieder:

"so besteht meine Arbeit eigentlich darin, daß ich dasjenige, was ich theils durch mündlich oder schriftlich eingezogene Nachrichten in Erfahrung bringe, theils in andern gedruckten Quellen, welche ich jederzeit getreu und gewissenhaft anzeige, für meine Absicht brauchbar finde, nutze, und in einen zweckmäßigen Auszug und Zusammenhang bringe, und zu dem Ende alle Kräfte meines Beur-theilungs=Vermögens aufbiethe." 60

Dem getreuen und gewissenhaften Anzeigen der Quellen gilt die besondere Wertschätzung, die Krünitz Werk erfährt. Die Anzahl der angegebenen Schriften schwankt jedoch beträchtlich. Nicht in jedem Artikel führt Krünitz die Literatur an, was Beckmann explizit an dem Artikel "Damascener Arbeit" kritisiert:

"H.K. hat uns so sehr verwohnt, daß wir auch diese Belehrung bey jedem wichtigen Articel erwarten." 61

In jenem Band 8 der Enzyklopädie, in dem Beckmann einen literarischen Nachweis vermißt, beendet Krünitz seine

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Ausführungen zu "Chocolate" mit 44 Titeln. Die älteste der nicht nur deutschsprachigen Schriften stammt aus dem Jahre 1609, die jüngste aus dem Jahre 1776. 62 In der Darstellung des Materials folgt Krünitz ebenfalls seiner Yverdoner Vorlage und wählt die alphabetische Anordnung, weil sie einerseits das schnelle Nachschlagen erleichtert und andererseits

"zu den Grundsätzen und der Kette [führt], welche alle nützliche Wahrheiten gemeinschaftlich mit einander verbindet." 63

Hier klingt die Hoffnung an, innerhalb der alphabetischen Ordnung die Systematik, hier: der Ökonomie darstellen zu können 64. Das alphabetische Prinzip zu befolgen, heißt in der "Oeconomischen Encyklopädie" die Umlaute ä, ö streng unter ae bzw. oe, den Umlaut ü jedoch bis zum 24. Band unter ui, danach unter ue einzuordnen. Die Komposita bilden eine Ausnahme von dem streng alphabetischen Prinzip. Die linksseitigen Komposita eines Begriffs erhalten immer einen Verweis auf die entsprechende Position des Bestimmungswortes, während die rechtsseitigen direkt im Anschluß an das Bestimmungswort erklärt werden bzw. ebenfalls einen Verweis erhalten.
"Feder [. . .].

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Feder, (Bett=) s. oben, S.373.
-- -- (Deckel=) s. Th. IX, S.41.
-- -- (Draht=) s. Draht=Bogen. [...]
-- -- (Wagen=) siehe in W.
-- -- (Wind=) siehe oben, S.408.
Feder=Alaun. [...]
Feder=Anschuß, [...].
Feder=Zirkel, s. unter Zirkel.
Federn. [...]" 65

Der kleine Ausschnitt aus der Wortfamilie "Feder" erlaubt einen Einblick in Krünitz' System. Krünitz verweist nicht nur auf Lemmata in anderen Bänden, sondern auch auf genau bezifferte Seiten, auf denen er sich zu dem entsprechenden Begriff bereits geäußert hat. Diese Vorgehensweise ermöglicht das schnelle Auffinden eines Begriffs auch innerhalb längerer Artikel. Darüberhinaus ersetzt dieses Prinzip auch des öfteren die Ausführungen zu den rechtsseitigen Komposita (z. B. bei der Wortfamilie Fenster); dieses Verfahren wird nur innerhalb eines Bandes angewendet.
Desweiteren muß darauf hingewiesen werden, daß Krünitz die französischen Fachtermini, die er nicht ins Deutsche übersetzen, sondern nur paraphrasiert wiedergeben kann, unter dem französischen Begriff lemmatisiert 66. Auch die botanischen Artikel erscheinen zu Beginn nicht unter ihren deutschen Bezeichnungen, sondern unter den lateinischen, was sich jedoch bereits mit dem Buchstaben B ändert.
Auf die Ausführungen zur Makrostruktur folgen nun jene zur Mikrostruktur der "Oeconomischen Encyclopädie". Krünitz rekurriert auf Lexeme, d.h. er kodifiziert Substantive und Adjektive in ihrer unflektierten Form,

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Verben als Infinitive. 67 Das Stichwort hebt sich insofern von dem übrigen Wörterbuchtext ab, als der Text um zwei Positionen eingerückt ist. Um das schnellere Auffinden eines gesuchten Begriffes zu erleichtern, erscheint das erste und das letzte aufgeführte Lemma einer Seite in der Kopfzeile neben der Seitenzahl. Auf das Stichwort folgen - sofern vorhanden - Synonyme, und zwar sowohl Regionalismen als auch fremdsprachliche Interpretamente in unterschiedlicher Kombination.

"Einkünfte. Nieders. Upkome, Upkumst, Upkumft, Inkumst, im Oberd. das Einkommen, L. Proventus, Reditus, Fr. Revenues [...]" 68

Daß Krünitz auf eine grammatische Deskription verzichtet und sogleich die semantische Paraphrase anführt, entspricht der sachlexikographischen Tradition, was auch für den erzählenden Ton in den Artikeln zutrifft. Später ändert er seine Vorgehensweise, wovon im 6. Kapitel zu sprechen sein wird. Das Beispiel "Kritik" verdeutliche den erzählende Ton.

"Kritik [...]. So mannigfaltig die Bedeutungen dieses Wortes sind, so laufen sie doch alle zuletzt darin zusammen, daß Kritik die Beurtheilung dessen sey, was Menschen thun, oder vermittelst ihres Verstandes hervor bringen." 69

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Anhand der beiden folgenden Artikel möchte ich nun die Form der semantischen Paraphrase bei Krünitz vorstellen:

"Beheften, heißt, bei den Roßhändlern, soviel als betrügen." 70

"Bodenhaube, Fr. Fond, ist eine Art weiblichen Kopfputzes, die in einigen französischen Provinzen, auch hier und da in Schwaben gebräuchlich ist, und in einem Netz besteht, welches über einen breiten Aufsatz (Coiffure) gezogen wird." 71

Zweierlei Praktiken können den beiden Beispielen entnommen werden: 1. Die bereits bei Adelung aufgetretene Form der semantischen Explikation, wonach Gattung und spezifisches Merkmal angeführt wird, taucht auch hier in abgeschwächter Form wieder auf. 2. Krünitz verwendet stilistische Markierungen, d.h. er berücksichtigt die Verwendungsweisen eines Begriffs in den unterschiedlichen Berufssprachen. Das führt bei polysemen Wörtern des öfteren zu Homonymie, z.B. "Bügel, in der Baukunst", "Bügel, am Degengefäße", "Bügel, auf den Schiffen". 72 Auf die semantische Paraphrase folgen die enzyklopädischen Ausführungen, um deren Abgrenzung sich der Verfasser nicht in allen Artikeln bemüht hat.

"Brust=Pumpe. Um so unzulänglicher und unbequemer die bisher bekannten Methoden, bey Kindbetterinnen nöthigenfalls die Milch aus den Brüsten zu bekommen, waren: um so mehr muß sich das Publicum dem berühmten Lehrer, [...] Hrn Stegmann, für eine Erfindung dieser Art verbunden achten [...]. Das Instrument führt.den Nahmen einer Brust= oder Milch=Pumpe". 73X

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Beispiele dieser Art, in denen der Lexikograph sprachliche und sachliche Angaben miteinander verquickt, sind sehr zahlreich und - ich betone es noch einmal - zählen zu den Eigenheiten der sachlich orientierten Nachschlagewerke, die gattungsgemäß den Schwerpunkt nicht auf sprachliche Informationen legen. Die (längeren) Ausschnitte aus dem Artikel "Back=Probe" mögen in die enzyklopädische Praxis einführen.

"Back=Probe. Eine Back=Probe wird derjenige Versuch genennet, welchen man anstellet, um zu erfahren, wieviel aus einer gewissen Quantität Ge-traide Brod und Semmeln von verschiedener Gattung zuverläßig gebackt werden können. Die Aufsicht auf das Bäckerhandwerk, und die damit verbundene Einrichtung der Brod=Taxen, gehören unter die vornehmsten und wichtigsten Angelegenheiten der Stadtpolicei. Da nun eine richtige und zuverläßige Brod=Taxe nicht wohl zu Stande gebracht werden kann, bevor nicht eine Backprobe mit der größten Vorsicht angestellet worden: so ergibt sich derselben Nothwendigkeit und Nutzen von Selbsten. Weil es hierbei aber auch sehr viel darauf ankommt, ob das zu verbakkene Mehl vorher gehörig und ohne Betrug in der Mühle abgemahlen worden: so setzt die Backprobe eine zuvor veranstaltete Mahlprobe allemahl voraus." 74

Der semantischen Explikation, die bereits über die Erklärung des sprachlichen Begriffes hinausragt, schließen sich Ausführungen an, welche die Existenz der Backprobe legitimieren, die Voraussetzungen zu ihrer Durchführung klären und der "Stadtpolicei" ihre Aufgabe zuweisen. Krünitz gestattet sich nach diesen einleitenden Worten einen historischen Exkurs, nämlich in das Jahr 1574, als der "Rath zu Dresden" eine Backprobe durchgeführt und hinreichend dokumentiert hat. Während

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sich der literarische Nachweis - sofern vorhanden normalerweise in kleinerem Druck abgesetzt entweder am Ende eines Absatzes oder gar Artikels befindet, ist er in diesem Fall in den fließenden Text eingearbeitet:

"welche Beschreibung Köhler im Anhange zu seinem Rechenmeister, und aus demselben das Zinkische Manufactur= und Handwerks=Lexicon, angeführet, sich auch Auszugsweise im VIII b. der öconom. Nachr. S. 227. befindet." 75

Die Exzerption der erschienenen Schriften schließt die Berücksichtigung sachlexikographischer Werke und deren Nennung als Quelle ein. Daß insbesondere letztgenannter Aspekt nicht selbstverständlich ist, wird das sechste Kapitel zeigen.
Die sich anschließenden knapp vier Seiten des Wörterbuchartikels berichten von eben jener historischen Backprobe. 76 Es kann davon ausgegangen werden, daß Krünitz diesen Teil zitiert hat, um die erwähnte Vollständigkeit präsentieren zu können. Zwei Tabellen, eine Geldrechnung und eine Gewichtsrechnung, die den Vorgang der Bachprobe exemplifizieren sollen, sind integrierter Bestandteil. An das Dresdener Beispiel schließen sich weitere an, welche voneinander abweichenende Ergebnisse dokumentieren und welche Krünitz erlauben, die Ansichten der jeweiligen Fachleute zu referieren. Schließlich resümiert er und interpretiert die Beispiele vor allem im Hinblick auf gemachte Fehler. Die Ausführungen zielen auf konkrete Hinweise und belehren:

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"Endlich verdienet auch die Jahreszeit, wenn die Probe angestellet werden soll, in Betrachtung gezogen zu werden. Da die Herbst= und Winterfeuchtigkeiten, so wie die große Hitze und Trockenheit des Sommers, einen allzustarken Einfluß in dem Gewichte des Mehls haben: so scheint das Ende des Frühlings, oder der Anfang des Sommers, die bequemste Zeit zu Anstellung einer Back=Probe zu seyn." 77

Weitere Tabellen, die auf durchgeführte Backproben im Berlin der sechziger Jahre des 18. Jahrhunderts Bezug nehmen und deren Herkunft genau angegeben wird, aktualisieren den zehnseitigen Artikel und runden ihn ab. Auf zwei weitere Aspekte der lexikographischen Praxis gilt es einzugehen: auf die Anmerkungen und auf die Kupfertafeln. Beide stehen außerhalb des Wörterbuchtextes, den sie jedoch in spezifischer Weise ergänzen. Die Anmerkungen kennzeichnet Krünitz im Wörterbuchtext mit einer runden Klammer, die einen - im Original hochgestellten - Stern einschließt. Die Anmerkung selbst am Ende der Seite hebt sich aufgrund des engeren, kleineren Drucks von dem übrigen ab. Selten beinhalten sie Belange der Enzyklopädie:

"(*)Eine Einschränkung dieses Satzes wird man weiter unten beym Schluß der Betrachtung über die Ziegeldächer, finden." 78

Häufiger treten sie als Erläuterungen zum Text auf, und zwar 1. als Konkretisierung eines Begriffes in enzyklopädischer Hinsicht:

a) "[...] ungefähr nur 35 Pfund betrage(*) [...]"
"(*) Man nimmt gewöhnlich an, daß 1 Cubicfuß Fich-

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tenholz 21 Pfund wiege." 79
b) "l. Die gemeine stachelige Artischocke; [...] ihr Stuhl oder Boden (*) ist nicht sehr dick von Fleisch."
"(*) Der Boden, Stuhl oder Kern an den Artischokken, Fr. Cul d'artichaut, heißt dasjenige, was zurückbleibt, wenn die Blätter des Kelches abgebrochen werden. Von der äussern Aehnlichkeit wird es auch der Käse genannt. Das Rauhe, welches inwendig an dem Stuhl der Artischocke sitzt, nennen die Franzosen le foin d'artichaut." 80

und 2. als Konkretisierung eines Sachverhalts:

"VI.Classe: Zum Schatz des Fürsten (*)." [Krünitz zitiert unter "Civil=Etat" u.a. Justis Klassifikation der unterschiedlichen Ausgaben.] "(*) Allein, dieses ist keine eigentliche Ausgabe; denn aller Ueberschuß, welcher nach geschehener Bestreitung aller Ausgaben übrig bleibt, gehört in den Schatz; doch so, daß nicht alles für ewig darinn verscharret, sondern ein nöthiger Theil davon wieder in die Circulation gebracht werde. Es ist also diese Classe in einem Wirthschaftsetat überflüssig." 81

Dies gilt nur für die ersten Bände der Enzyklopädie, die Praxis der späteren wird ebenfalls im sechsten Kapitel behandelt. Abschließen möchte ich dieses Kapitel mit der Vorstellung der Kupfertafeln. Krünitz schreibt in seiner Ankündigung, daß er sich bemühe,

"die gerneinnutzigsten Artikel durch hinzu gefügte Kupfertafeln und Abbildungen der merkwürdigsten, und sonderlich in den neuern Zeiten erfundenen häuslichen Geräthschaften, Landwirthschafts= und Gartenglnstrumente und Maschinen, zu erläutern". 82

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Ausführlicher als Krünitz äußert sich der Verleger Joachim Pauli in einer Nachbemerkung zu Band 3, 1774:

"Die Kupfertafeln werden nicht inwendig im Buche, sondern hinten, der Ordnung der Figuren nach, angebunden, weil öfters, auf ein und derselben Tafel, Figuren vorkommen, wovon die Beschreibung auf verschiedene Seiten und Bogen des Textes anzutreffen ist. Denen Figuren auf den Kupfertafeln habe die Seitenzahl bloß darum beigesetzt, daß man, beim ersten Anblick derselben, sogleich wissen könne, da die darzu zugehörige Beschreibung zu finden sey." 83

Derartige Darstellungen der lexikographischen Praxis finden sich selten; hinzuzufügen ist lediglich, daß die Kupfertafeln in der Regel nicht beschriftet, sondern nur in Ausnahmefällen mit Buchstaben versehen werden, die im Text aufgeschlüsselt werden. Aus diesem Grund können sie die semantische und enzyklopädische Paraphrase nicht ersetzen, sondern nur veranschaulichen. So verweist Krünitz in seinen Ausführungen zu Laren 84 auf die Fig. 3909:

"Es giebt gar wenig alte Denkmähler, auf welchen die Lares vorkommen. Fig.3909, erscheint ein Abdruck von einem vortrefflichen römischen Marmor". 85

Es folgt eine kurze Beschreibung des Bildes, die ohne die Tafel verständlich wäre. Zuweilen sind die Kupfertafeln für einen Teilaspekt der enzyklopädischen Deskription konstitutiv, was z. B. auf die Darstellung der Feuer-Maschine zutrifft. In seiner Explikation

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verweist er auf die "Fig.668" und fährt in dem Text folgendermaßen fort:

"Diese Maschine ist von mittelmäßiger Größe. Der Ofen A ist von runder Gestalt, und mit einem Roste und Windfange, auch unten mit einem Aschenloche versehen. Der Kessel B ist von Kupfer, in der Dicke eines Braukessels, und dergestalt eingemauert [...]." 86

Der fortlaufende Text ist zwar ohne die Kupfertafel zu verstehen, es mangelt ihm jedoch an Hinweisen, die die Relation, in der die einzelnen Geräthschaften zueinander stehen, angibt.