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Nachricht von Johann Georg Krünitz über seinen Gesundheitszustand, die er 1777 aufsetzte
(Anmerkung aus: Leben des verstorbenen Herrn Doktor Johann Georg Krünitz, vom Professor Kosmann, in: Denkwürdigkeiten und Tagesgeschichte der Mark Brandenburg. Hrsg. von F. L. W. Fischbach, J. W. A. Kosmann u. Th. Heinsius. Band 3, Berlin 1797, S. 378-381).
 

Ich bin, meines Erachtens, von sanguinisch-cholerischem Temperament, und trete mit Anfang des März-Monats in mein 50stes Jahr. Ich habe bisher einer dauerhaften Gesundheit genossen, wozu das Beneficium naturae (die Wohlthat der Natur) der Hämorrhoiden, welche ich seit meinem 20sten Jahre alle 4 Wochen regulär und flüßig ohne die geringste Beschwerde habe, wie auch das jährlich 1 oder 2 mal abwechselnd am Fuße und Arme angestellte Aderlassen und zuweilen gebrauchte gelinde Evacuantia (Abführungen) nicht wenig beigetragen zu haben scheinen; ausser, daß zuweilen mit heftigen Kopfschmerzen erwache, die aber noch an demselben Tage wieder vergehen, und nach welchen ich eine außerordentliche Heiterkeit des Geistes verspühre, und daß ich gemeiniglich im Frühjahr und Herbste mit einem viele Tage anhaltenden Catarrh und Husten befallen werde. Seitdem die Ausarbeitung meiner Encyclopädie eine mehr sitzende Lebensart erfordert hat, und diese mit Gram und Aergernis verknüpft gewesen, bin mehr corpulent geworden, so daß seit 2 Jahren die Leibesbewegung mir etwas beschwerlich zu werden angefangen, und ich beim Gehen sowohl als Sitzen, einen dolorem obtusum (stumpfen Schmerz) in der Brust, oder eigentlich über dem Diaphragmate, und circa praecordia, (Zwergfell und um die Herzgrube) verspührt habe, welcher Zufall aber seit 8 Wochen dermaßen stark geworden ist, daß wenn ich ausgehe, und etwa 20 oder 30 Schritte gegangen bin, der bisher stumpfe drückende Schmerz sich in einen lebhaften Krampf verwandelt, welcher mir nicht allein die Luft benimmt, so daß ich 1 oder 2 Minuten stillstehen muß, sondern mir auch, der sonst nicht zum Schwitzen geneigt bin, einen kalten Angstschweiß auspresst, und was das schlimmste ist, eine Uebelkeit und gemeiniglich ein Erbrechen nach sich ziehet, nach welchem mich aber im mindesten nicht erleichtert befinde, sondern bey fortgesetzter Bewegung der Krampf sich aufs neue einstellt, welcher aber, sobald mich in Ruhe befinde, nach ein paar Minuten völlig wieder vergeht, und einige Mattigkeit nebst dem gewöhnlichen dolore obtuso, (stumpfen Schmerz) zurückläßt. Wenn ich nüchtern ausgehe, ist der sich alsdenn einstellende Krampf bloß mit Connatibus vomendi inanibus, (leeren Reiz zum Erbrechen) wenn ich aber etwas genossen habe, mit wirklichem Erbrechen des Genossenen begleitet. Daß an diesem Zufalle weder ein Vitium primarum viarum, (Fehler in den ersten Wegen) noch hypochondrische Umstände schuld seyn können scheint folgendes zu beweisen. Mein Wagen ist sehr gut; ich mag in meiner ganzen Lebenszeit viel gesessen haben oder ausgegangen sein, so habe beständig den stärksten Appetit gehabt, und habe denselben seit den letzten Jahren, da mehr sitzen muß, noch unverändert; ich weiß weder von Ructibus, (Aufstoßen) Borborygmis, (Knurren im Leibe) noch Flatibus; (Blähungen) ungeachtet mehrentheils Vorkosten und harte Speisen liebe, so kann doch unmittelbar nach dem Essen sitzen, und bis Abends um 10 Uhr ohne Beschwerde arbeiten. Verstopfungen sowohl, als Diarrhöen, sind mir unbekannt. Nur finden sich alsdenn Verstopfungen ein, wenn ganze Tage hingehen, ohne daß ich einen Tropfen Bier trinke. Denn ohne Durst zu trinken, ist mir schlechterdings unmöglich. Mein gewöhnliches Getränk ist braunes Halbbier; sonst des Morgens 3 Tassen Thee- und Nachmittags 3 Tassen guten Kaffee. Wasser kann ich gar nicht trinken, wenn gleich der Durst noch so heftig ist: und gegen Wein habe ich einen wahren Horrorem, (Abscheu) insonderheit gegen Franz- und Rheinwein; rothen Wein und Bischof kann ich noch einigermaßen vertragen, jedoch ohne Wohlgefallen an diesem Getränke zu empfinden, so wie ich es beim Essen empfinde. Diejenigen Getränke, von denen ich sagen kann, daß ich sie mit Wohlgefallen trinke, sind: Punsch, Champagner und Ungarischer Wein. Gewöhnlich rauche ich des Tages 3 Pfeifen Toback. Von Erroribus diaetae (Fehlern der Diät) bin ich mir solchergestalt nichts bewusst; es müßten denn vita sedentaria, (die sitzende Lebensart) und der damit verknüpfte Gram und Verdruß seyn; jenes aber erfordert die getroffene Wahl der ad vitam sustendam (zum Lebensunterhalt) nöthigen Beschäftigung; und jene haben moralische Ursachen und Häusliche Angelegenheiten zum Grunde, welche vor der Hand nicht zu remedieren sind. Eines Umstandes muß ich noch erwähnen, welcher zwar nicht zu meiner eigentlichen Krankheit beizutragen scheint, jedoch zu Idionosolgie (eigenen Krankheitslehre) gehört. Ich habe nehmlich seit 4 Jahren Herniam inquinalem dextri lateris, (Leistenbruch der rechten Seite), deren Ursprung ich keiner andern Ursache, als dem Frühjahrs- und Herbsthusten zuschreiben kann, indem ich keine motus violentos (heftige Bewegungen) als: Reiten, Fechten oder Tanzen exercire. Ich habe mir zwar ein Bracherium (Bruchband) machen lassen; weil dieses mich aber mehr incommodirt als sonlagiert hat, die Hernia (Bruch) mir übrigen auch nicht sehr zur Beschwerde gereicht, indem dieselbe, wenn ich gehe oder stark spreche, mit leichter Mühe wieder zurück drücken kann, mich auch für Verstopfungen hüte, so verursacht sie mir in so fern keinen ausserordentlichen Kummer. Nur mein obengedachtes Symptoma urgens (lästiger Zufall) ist eine gegründete Ursache meine Bekümmernis, indem ich diese Cardialgie für ein Symptoma einer anfangenden Brustwassersucht halte, zumal beim Gehen, ich möge nüchtern sein oder nicht, eine Fluctuation (Schwanken einer eingeschlossenen Feuchtigkeit) über dem Diaphragma zu verspüren glaube. Beim Sitzen und Bücken incommodirt mich nichts; kaum der mehrgedachte dolor obtusus; (stumpfer Schmerz) von Stichen beim Athemholen weiß ich auch nichts; im Bette, woselbst ich beständig mehr auf dem Rücken als auf den Seiten zu liegen, jedoch mehr zu sitzen als zu liegen gewohnt bin, empfinde keine Beschwerlichkeit des Athemholens, noch Uebelkeiten, ausser, wie gedacht, beim Ausgehen; wie denn auch beim Fahren von allen dem nichts verspüre.